Interview mit René Bohne

René Bohne hat an der RWTH Aachen Informatik mit dem Schwerpunkt auf Embedded Systems studiert und hat sich dabei sehr viel mit Mikrocontrollern, Elektronik und Robo­ tik beschäftigt. Er war viele Jahre Leiter des Fab Labs an der RWTH Aachen, Deutschlands erstem Fab Lab, das 2009 ge­ gründet wurde. Mittlerweile ist er Solution Manager für IoT­ Themen bei Telefónica Deutschland und Autor mehrerer Bücher.

Wie sind Sie mit dem Making und Fab Labs in Berührung gekommen?
René Bohne: Im Hauptstudium nahm ich an HCI­Kursen (Human­Computer Interaction, englisch für Mensch­Ma­ schine­Interaktion) von Prof. Dr. Jan Borchers teil. In mei­ ner Diploarbeit habe ich eine leuchtende LumiNet­Jacke gebaut, was sozusagen der Einstieg für mich in den Proto­ typing­Bereich war. Zu dieser Zeit gab es noch kein Fab Lab am Lehrstuhl. (…)

Ich weiß gar nicht mehr, wann und wo wir das erste Mal von einem Fab Lab gehört haben, aber ich fing an, mich darüber zu informieren. Wir glichen die Liste des Equip­ ments für ein Fab Lab mit unseren vorhandenen Sachen am Lehrstuhl an der RWTH Aachen ab und merkten, dass wir quasi schon alles da hatten. So entstand 2009 das erste Fab

fab101.de/luminet Lab Deutschlands an der RWTH Aachen.

Wie wurde das Fab Lab finanziert?

Am Anfang gab es keine eigene Finanzierung für das Fab
Lab. Wir verfügten bereits über die Maschinen und Räume
aus vorherigen Forschungsprojekten. Für die offizielle Er­ öffnung des Fab Labs kam der WDR und drehte einen Bericht. Das lockte die Presse an und führte viele Gäste aus
ganz Deutschland zu uns und natürlich wurde unser An­
gebot auch innerhalb der Hochschule bemerkt. Da es noch

kein Fab Lab in Deutschland gab, existierten auch noch kei­
ne Erfahrungen im Betrieb eines solchen Labs an einer Uni­
versität. Wir begannen jedoch schnell, das Fab Lab nicht nur
in die Lehre, sondern auch in die Forschung zu integrieren,

und es folgte eigenes Fördergeld, das den Betrieb des Fab
Labs sicherstellte.

Was bedeuten für Sie die Begriffe ›Fab Lab‹ und ›Making‹? Am wichtigsten für die Umsetzung einer Idee ist der Zugang zu den Technologien, Materialien und Werk­ zeugen. Jedoch bin ich beim Thema »Werkzeuge« et­ was radikaler, da es für mich vor allem um digitale Werkzeuge geht, d. h. einen Computer, einen 3D­ Drucker o. Ä. – Beim Making wird also traditionelles Handwerk mit digitaler Fabrikation und Elektronik verbunden. Der Begriff ›Fab Lab‹ steht für mich vor allem für einen Ort, an dem der Zugang zu alldem gegeben ist, aber er steht auch für die Menschen und für die weltweite Community, die uns alle verbindet.

Ist für Sie und Ihre Arbeit der Kontakt zur Maker*innen-Community wichtig? Das Besondere unserer Zeit ist Social Media und dass über das Internet weltweit und jederzeit Ideen ausgetauscht werden können. Zudem muss bei eige­ nen Projekten nicht immer bei null gestartet werden, da bestehende Designs genutzt werden können. Das ist für mich der eigentlich größte Knackpunkt: Durch Open­Source­Software und ­Hardware zeigen Maker*innen die Bereitschaft, Wissen zu teilen, was sie erst zu Maker*in­ nen macht. Dieser Austausch ist quasi die Identität der Ma­ ker*innen­Community. Wir treffen uns entweder face­to­ face in einem Fab Lab oder virtuell im Internet. Damit ist das Making auch ein soziales Phänomen. Das ist für mich das Wichtigste: der Kontakt zu anderen Menschen bei der Arbeit.

Sie haben ja auch schon im und um das Fab Lab herum gelehrt. Wie sehen Sie die Maker*innen-/Fab-Lab-Bewe- gung? Hat Making als Ansatz das Potenzial, sich im Bildungsbereich durchzusetzen?
René Bohne: Spannend. Als wir damit 2010 gestartet sind, war dieser interdisziplinäre Ansatz in Kombination mit di­ gitaler Fabrikation revolutionär. Wenn ich mir heute die Be­ werbungen in meiner Firma anschaue: Da hat ja fast jeder mal mit einem Arduino oder einem Raspberry Pi irgendwas gemacht. Interaction­Design und Physical Computing (wie wir das nennen) hat sich in vielen Disziplinen unter den un­ terschiedlichsten Bezeichnungen eingeschlichen. Deswegen stellt sich für mich heute die Frage: Brauche ich jetzt das Fab Lab überhaupt noch, um zum Beispiel etwas über den Ar­ duino zu lehren? Denn scheinbar sind viele Prozesse schon ins Curriculum aufgenommen bzw. viele erhalten einfach ei­ nen Pi und können damit einfach mal im Zusammenhang mit ihrer Disziplin arbeiten. Ich denke, es kommt auf die Disziplin an. Und es geht nicht nur um Geräte, wie Arduino und Raspberry Pi, sondern um die Kombination von Infor­ mationstechnologie mit anderen Disziplinen.

Die Frage ist: Wer sollte das Fab Lab führen? Bisher ma­
chen das oft nur Informatiker*innen, aber ehrlich gesagt
können Sie bei fast jedem Institut irgendwo mal um die Ecke schauen und dann steht da irgendwo ein 3D­Drucker. Des­
wegen ist die Frage für mich im Jahre 2019 schwer zu be­ antworten: Warum sollte ich als Institut überhaupt ein Fab

Lab gründen? Für mich ist es das Interdisziplinäre und das
Offene, d. h., ich muss in meiner Forschung ein Interesse
haben, die normalen Bürger*innen zu untersuchen. Wenn
ich das nicht brauche, benötige ich vielleicht kein Fab Lab.

Ich kann ja trotzdem dieselben Geräte anschaffen, ohne die

Ihre Studierenden die Räume nutzen können, und zwar auch nach den Unterrichtseinheiten. Je nachdem, was es dann an Equipment gibt, muss das natürlich betreut werden. Die An­ gehörigen der Hochschule sollten leicht Zugang zum Fab Lab erhalten können. Der viel schwierigere Teil ist: Wie kann ich jetzt Externe, die vorbeikommen, auch reinlassen? Sie können sehr hilfreich zum Beispiel bei Benutzerumfragen und anderen Experimenten sein. Die Gefahr bei vielen User­ Studies ist, nur Leute zu befragen, die vorbelastet sind bzw. die alle die gleiche Meinung haben. Klar, es kommen primär Menschen ins Fab Lab, die meist großes Interesse an Tech­ nik haben, aber es sind nicht nur die eigenen Studierenden, sondern Menschen unterschiedlicher Professionen, die in User­Studies befragt werden können.

Wie gesagt, ich glaube, dass dieser Begriff ›Fab Lab‹ al­ leine schon kritisch ist. Muss die »Charter« beachtet wer­ den? Entspricht das Equipment dem von allen anderen Fab Labs? Sollen die Konferenzen besucht werden? Ist irgend­ wie eine gemeinsame Agenda vorhanden? Und wie passen Fab Labs und Bildung tatsächlich zusammen? Gibt es dafür eine globale Vision?

Wenn Sie einmal zurückblicken, wie viele Rollen mussten von Leuten eingenommen werden, damit das Fab Lab im Alltag funktioniert hat? Ich würde immer empfehlen, dass mindestens eine Person für ein Gerät zuständig ist und sich perfekt damit auskennt. Vor allem bei den großen Geräten, die wartungsintensiv sind. Besser noch, wenn zwei Expert*innen pro Gerät da sind, denn eine Person kann ja mal im Urlaub sein. Dann gibt es da noch den Fab­Lab­Manager bzw. die Fab­Lab­ Managerin, was ich auch lange gemacht habe. Neben der

Tür für Externe zu öffnen und dann dieselben Dinge für
Terminvergabe spielen auch Marketing und Öffentlichkeits­ meinen eigenen Bedarf produzieren. Für uns an einem HCI­
arbeit eine große Rolle. Es wird jemand benötigt, der Ihr Lehrstuhl war es jedoch damals perfekt: Wir hatten durch
Plakat immer und überall hochhält. Öffentlichkeitsarbeit ist das Fab Lab Testpersonen für unsere User­Studies, denn
extrem wichtig. Die Zeit zur Dokumentation ist auch auf­ schließlich spielt der Mensch eine sehr große Rolle in der
wendig. Eigentlich muss jemand im Fab Lab stehen und die HCI.
Besuchenden auffordern: »Kommen Sie, wir machen ein

Und wie stehen Sie zu einem Personal-Fabrication-Modul,
bei dem sich jede Disziplin Bausteine zusammenbauen
kann, um Prozesse des Prototyping zu lernen?
Ich würde den Bildungsaspekt wirklich getrennt betrachten.

Natürlich kann irgendwie für jede Disziplin Prototyping mit
eingebaut werden und am besten so, dass es vielleicht auch
angewandt wird. Aber für mich ist das Geheimnis von Fab
Labs ja nicht das Prototyping, sondern die Community –,

dass plötzlich Menschen im Labor waren und mir Feedback
gegeben haben, die gar nichts mit Informatik zu tun hatten.
Aber das Lehren der Prozesse im Fab Lab muss ja nicht erst
in der Universität ansetzen. Das kann schon bei Kindern

ansetzen – und das ist wichtig! Wie eine solche Bildungsein­
richtung aussehen kann, ist von den Gegebenheiten abhän­
gig.

Wie können diese Bausteine denn vermittelt werden und
wie lassen sich Ressourcen dafür finden?
Das ist ja das ursprüngliche Problem. Die Universitäten
haben Geräte in den Ecken stehen und keiner darf sie be­

nutzen, weil die Promovierenden bereits fertig sind, die Uni­
versität verlassen haben und die Gelder und Materialien an
deren Forschung gebunden sind. Der erste Schritt muss im­
mer sein: Machen Sie die Werkstatt für Ihre eigenen Leute

auf! Sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Schüler*innen sowie

Foto«, und: »Schreiben Sie mir nochmal einen, zwei Sätze
zu dem, was Sie heute gemacht haben.« Dokumentation ist nämlich mit das Wertvollste, denn sie kann mit anderen Mit­ gliedern der Community geteilt werden. Für mich standen

auch eigene Veranstaltungen, wie das »Dorkbot«, immer in
direktem Zusammenhang mit dem Fab Lab. Da könnte man
sich vorstellen, dass eigentlich eine Person erforderlich ist,
um diese zu veranstalten und zu dokumentieren. Das The­

ma »Events« sollte vom Aufwand her nicht unterschätzt
werden. Und dann ist da noch das ganze Thema »Inhalte
und Umsetzung«. Da kommen ja viele Leute im Fab Lab
vorbei, die nur eine Idee haben und dann Hilfe bei der Um­

setzung brauchen. Dann muss entschieden werden, ob die
Besuchenden einfach nur bei der Maschinennutzung unter­
stützt oder ob die Projekte noch besser werden, wenn Mit­
arbeitende sich inhaltlich einbringen –, also das Lab nicht

nur als ›Copyshop‹ fungiert, sondern wir die Projekte der
Besuchenden als eigene Maker*innen­Projekte ver­ fab101.de/dorkbot
stehen.

Das heißt, drei bis vier Leute werden dauerhaft als
Unterstützung im Fab Lab gebraucht?
Ja, aber wenn auch noch Lehre im Fab Lab gemacht wird,
wird noch mehr Unterstützung und werden noch mehr Res­

sourcen gebraucht. Einen Hiwi pro Kurs halte ich für sinn­
voll. Anfangs dachte ich auch, ich mache jetzt hier meine

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sechs Vorlesungen, erkläre Schritt für Schritt, wie alles funk­ gefunden und es ist wirklich sehr praktisch. Aber das gibt tioniert, und danach können die Studierenden das selbst. es viel zu wenig: fertige Boards, die nicht riesig und auch Aber das ist leider nicht so einfach und es tauchen immer nicht unglaublich teuer und sinnlos sind. Bei der Lehre Probleme auf, zum Beispiel mit den Maschinen. Wichtig ist, würde ich vielleicht trotzdem lieber mit Arduino oder dass sich die Mitarbeitenden bestenfalls nicht aufteilen müs­ ESP32­Boards (die auch schon ein WLAN­Modul ha­ fab101.de/bohne sen, also dass nicht dieselben Mitarbeitenden den »Open ben) arbeiten. Lab Day« und die Lehre betreuen. Und noch ein zusätzlicher

Tipp: Es sollten so viele Absolvent*innen wie möglich be­ Sehen Sie negative Effekte eines Fab Labs? Worauf sollte treut werden! Das ist zwar Arbeit, aber wenn sie motiviert geachtet werden, damit die Einrichtung nicht scheitert? werden, dann verbringen sie Zeit im Fab Lab und helfen an­ Im Kern geht es ja um die Menschen. Ich gehe mal davon deren – auch den Besuchenden. aus, dass das Team, das das Lab leitet, offen ist und alles vernünftig macht. Dennoch stecken Sie nicht in den Köpfen Woran arbeiten Sie aktuell? der Menschen drin. Ich habe schon so viele Leute getroffen,

René Bohne: Ich habe momentan zwei Projekte. Ich mache die sich stark mit ihrem Fab Lab identifizieren und dieses sehr viel mit Musik und versuche da noch mehr Wissen auf­ Lab für das beste halten. Für diese Menschen scheint es ei­ zubauen. Auf meiner Webseite habe ich Infos dazu. Ich be­ nen Wettbewerb unter den Labs zu geben und das ist nicht treue zum Beispiel ein paar Musiker*innen: Eine Musikerin gut. Konkurrenzdenken passt eigentlich nicht zum Making. hat ein transparentes Saxophon. Da haben wir LED­Pixel Ich glaube, dass der kooperative Gedanke zwischen den und einen Mikrocontroller eingebaut. Jetzt kommt noch Labs noch ausbaufähig ist. Manchmal isolieren sich Fab eine Tuba dazu. Ein weiteres Projekt war eine Erweiterung Labs zu sehr, anstatt zusammenzuarbeiten. Wenn Sie ein Fab für ein 3D­gedrucktes Wireless­MIDI­Kleid. Ich nenne die­ Lab eröffnen wollen, dann nehmen Sie Kontakt zum globa­ sen Bereich mal Musik. Des Weiteren beschäftige ich mich len Fab­Lab­Netzwerk auf, denn das hat nur Vorteile. mit Drohnen. Ich habe einige Drohnen gekauft, aber ich

habe auch eine Schublade voll mit 3D­gedruckten Drohnen.
Ich habe verschiedene 3D­Druck­Filamente getestet und die
fliegen auch alle. Ich habe dann eine eigene Firmware
entwickelt, die auf diesem kleinen Board mit dem STM32­
Mikroprozessor läuft. Auf diesem Board ist ein Beschleu­
nigungssensor drauf und Sie können über vier Metall­Oxid­ Halbleiter­Feldeffekttransistoren, deutsch für Metal­Oxide­

Semiconductor Field­Effect Transistors (MOSFETs), vier
Motoren ansteuern. Das Board habe ich durch Recherche


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